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Beitrag vom 27.02.2012
Evelinn Trouble - Television Religion
Anna Fleischer
Von der Presse bisher mit den Schweizer Singersongwriter-Größen Heidi Happy und Sophie Hunger kurzerhand in einen Topf geworfen, grenzt sich die Züricherin mit ihrem neuen Album...
... deutlich und endgültig von ihren Kolleginnen ab.
Wer noch in Erinnerung an Troubles erstes, selbst eingespieltes und auch von ihr selbst produziertes Solo-Debüt-Album "Abitrary Act" schwelgt, wird zwar verblüfft, aber keineswegs enttäuscht sein. Statt zarter, herzschmerzender Gitarren-Melancholie erwartet die Hörerin auf "Television Religion" gekonnt inszenierter brüchig-trashiger Post-Punk mit viel Elan, Wut und Leidenschaft.
Die Schweiz sei ihr "zu nett", erklärte Evelinn Trouble 2009 in einem Interview mit der Schweizer Frauenzeitschrift Annabelle, sie wolle lieber die Welt erobern und den internationalen Durchbruch erreichen. Große Worte für die damals gerade einmal 20 jährige gebürtige Züricherin, die mit bürgerlichem Namen Linéa Racine heißt. Als Sängerin des Punk-Trios Lorry trat Evelinn Trouble 2007 ihren musikalischen Werdegang an. Im Zuge ihrer Maturaarbeit entstand im Alleingang ihr Debüt "Abitrary Act" und 2008 veröffentlichte sie "Ms. Trouble´s Secret EP", sechs Lieder, die als Internetdownload zur Verfügung standen. Zunächst unter dem Namen "Evelinn Trouble and the Rainy Days" (mit der Züricher Band "Fisher"), später dann als Backing-Sängerin bei Sophie Hunger und ab 2009 mit der Live-Truppe Trespassers sammelte Trouble Live-Erfahrungen und machte sich nach und nach einen Namen. Im Überschwang nach New York ausgewandert, um international bekannt zu werden, scheiterte sie jedoch zunächst und kehrte bald in den heimatlichen Hafen zurück.
"I will record a CD with myself and it will be the best" steht auf einem Blatt Papier, das Evelinn Trouble ungerührten Blickes in die Kamera hält. Das war 2009. Im Jahr 2012 scheint sich Trouble von ihrem mutigen Alleingang distanziert zu haben und produziert mit Bassist Flo Götte im Duo "Television Religion". Was nun kommt, kann erstaunen, sogar etwas befremden. Schluss mit dem weichgekochten Herzschmerzballadentum. Das neue Album klingt laut, punkig und nach einer guten Portion Synthesizer und Drum-Machine-Beats. Der Sound ist schrill und metallig, mit tief-brausendem Bass und kräftig verzerrten Gitarren. Troubles Stimme erinnert entfernt an eine frühe Tori Amos: klar, kraftvoll und einzigartig. Die Lieder bleiben im Ohr, weil sie so lautstark und leidenschaftlich sind, ohne dabei ihre zerbrechlich-zarte Düsternis zu verlieren.
Troubles Texte lassen nichts zu wünschen übrig. Sie sind kritisch, sehnsuchtsvoll und wirken stellenweise wie ein Aufruf zum Erwachen aus der postindustriellen Lethargie des verkabelten Informationszeitalters. Der Umschwung vom sanften Songwriting zur schrillen E-Gitarre scheint weit mehr zu sein, als ein wenig künstlerisches Experimentieren. Auf der Innenseite des CD-Booklet steht geschrieben:
I am tired of not being able to tell satellites from stars apart anymore.
Aeroplanes. I am tired of aeroplanes.
I am tired of cars.
Howl! What shall it be? One more coffee to go please.
I am tired of not wanting to change things anymore.
I am tired of sitting inside of my mind, pulling strings.
Hello destiny, are you in my kitchen?
Der Sound der zwölf Tracks bleibt vielfältig. Zwischen lautem, sehr groovigem Liedgut wie "Nothing" und "My Lies", blitzen unerwartet langsame Songs auf, so der Titel "So Long", der nach dunkler, leiser Sehnsucht klingt. Außerdem erwarten die Hörerin die zwei sehr gelungenen Coversongs "I don´t Live Today" von Jimi Hendrix und "I was a Lover" von der Indierock-Band TV On The Radio.
AVIVA-Tipp: "Television Religion" verführt mit einem Mix aus Post-Punk, Progressive Rock und einem Hauch des New Wave der 80er Jahre. Troubles Attitüde erinnert an Patti Smith, erinnert an PJ-Harvey und verspricht Größe. Evelinn Trouble beschreibt ihr Anliegen mit den Worten: "May this music keep you from falling asleep. Let´s try to stay awake a little longer." Das ist ihr mit "Television Religion" allemal gelungen.
Evelinn Trouble
Television Religion
Chop / H´art
VÖ: 17.02.2012
Evelinn Trouble im Netz:
www.evelinntrouble.com
www.facebook.com/evelinntrouble
www.myspace.com/evelinntrouble
Weiterhören auf AVIVA-Berlin:
Heidi Happy - Flowers, Birds And Home
Sophie Hunger - 1983
Tori Amos - Night of Hunters